fremde Welt


24. Februar 2009
fremde Welt: ...

„Ich hab ja vier Jahre in der Gegend gewohnt, hat mir aber gar nicht gefallen“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Einzelplatz am Tresen.
Der Andere Kollege hat eine Frau mit prominenter Nase in ein Gespräch verwickelt.
Haarfarbe stimmt: Beuteschema passt.
Stör ich mal besser nicht.
„Ich hatte ja so viel in die Wohnung investiert, nur deshalb bin ich vier Jahre geblieben“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Das Gespräch endet, der Andere Kollege ist frustriert.
Die Bedienung kommt mit großen Augen aus dem Raucherzimmer.
„Ich habe in den vier Jahren mein Buch geschrieben“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Im Raucherzimmer sitzt ein Gast nur noch in Unterwäsche, berichtet die Bedienung.
Die ist Künstlerin, ergänzt die prominente Nase. Jedes deutsche Wort, das sie nicht kennt, schreibt sie mit Edding auf die Haut. Offenbar hat sie heute abend schon viel gelernt. Der Platz auf Beinen und Bauch wird knapp.
Der Andere Kollege geht mal die Aschenbecher leeren.
Flachmann, Feudel, Augenweide, gebe ich ihm mit auf den Weg.
„Ich habe ja Jazz-Gitarre studiert“, sagt die unbekannte Tresenfliege.

24. November 2008
fremde Welt: Samstag im Könich

Plötzlich, zwischen Kraftwerks Model und irgendwas, das dem Beat Witts Goldener Reiter sein könnte, zeigen viele Zeigefinger Richtung Panoramascheiben.
Es schneit, die Flocken fliegen fast waagerecht. Wie in einer Schneekugel.
Oder: „Wie im Schwarzwald.“
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht den Drang verspüre, verwaschene Atari- oder Ladyfest-Spain-T-Shirts tragen zu müssen.
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht den Drang verspüre, mir einen Unterlippenbart wachsen zu lassen.
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht die letzten Jahre damit verbracht habe, meine Arme tackern zu lassen und meinen Bizeps aufzupumpen, leider unter sträflicher Vernachlässigung von Trizeps und Deltoideus, was schonmal scheiße aussieht, gekrönt noch durch deutliche Anzeichen der östrogenen Hopfenwirkung.
Der Kollege philosophiert über Galapagosfinken, schnorrt sich von unserer Begleiterin eine Kippe und schnippt sie beim Gestikulieren versehentlich auf den Stiefelschaft des Minirockmädchens vom Nachbartisch. Nach einigen Sekunden setzt sich doch das Über-Ich durch, und natürlich nimmt sie ihm die Erklärung, warum er da gerade an ihren Beinen zu tun hatte, nicht ab.
Wir gehen Richtung Tanzfläche.
Die Evolution hat nicht ahnen können, dass es mal Empfängnisverhütung gibt.
Aber das ist auch das Dilemma der meisten Typen hier, sagt der Kollege. Die strahlen nur Fickbereitschaft aus, aber keine Verantwortungsbereitschaft. Evolutionär ist das noch unbewusst verdrahtet und bestimmt das Selektionsverhalten, und darum kriegen die ganzen verzweifelten Galapagosfinken hier heute keine ab.
Wir wählen den tätowierten jungen Mann als Beobachtungsobjekt. Sein Coach trägt eine Schiebermütze und hat ihn eben nochmal daran erinnert, warum sie hier sind: Entweder du gräbst jetzt eine an oder wir gehen woanders hin.
Balztanz, Bar, Jägermeister.
Der Kollege wettet um ein Bier, dass innerhalb der nächsten zehn Minuten geknutscht wird.
Die Begleiterin hält. Die Körpersprache der Frau, zu abweisend, und die sehe auch nicht so verzweifelt aus, als ob sie sich nicht auch anders amüsieren könnte.
Die Schiebermütze hat unser Gespräch mitbekommen und grinst breit.
Klick. Das Elektrofeuerzeug unserer Begleiterin zündet nicht.
Klick.
Klick.
Ich weiß, was die dritte Fehlzündung bedeutet.
Unsere Begleiterin weiß es auch.
Nach drei Minuten ist das Gespräch beendet:
"Ich hab Dich als meinen Freund ausgegeben. Der Typ ist echt übel."
Zeit zu gehen.
Früher hätten wir jetzt zusammen Spinatspaghetti gekocht, aber heute geht jeder seinen Weg.
Und es fängt wieder an zu schneien.

15. Dezember 2007
fremde Welt: Heimtierbedarf II

Froschflossenleder

11. November 2007
fremde Welt: Heimtierbedarf

Heimtierbedarf

30. Oktober 2007
fremde Welt: Mitropa RAZR

Nein... nein.
Nein!
Nein, Mutti, du hast dich da nicht einzumischen! Punkt!
Nein...
Nein, du wartest einfach, bis ich was erzähle, wenn ich nichts erzähle, dann gibt’s nichts zu er...
Ja.
Nein... ist ja auch ne andere Zeit...
Ich muss einfach daran arbeiten, mich besser zu präsentieren...
Nein... nein, das ist wie überall in der Gesellschaft...
Ja, gut, bisher hatte ich nicht so den Erfolg, das waren alles nicht so... nicht so die Perlen jetzt, sach ich mal...
Ich muss an meinem ersten Eindruck arbeiten... was?
Ja, nee, nein, NEIN, das ist einfach so, die Menschen wollen belogen werden, so ist das nun mal!
Nein...
Nein, ich bin da bei so ner Art Partnervermittlung im Internet jetzt...
Janein...
Nein. NEIN! Mutti, du hast dich da einfach nicht einzumischen, du hast dich da einfach nicht einzumischen!

(ICE Berlin-Leipzig, im Schnauzehalten-Großraumwagen)

Ähnliche Thematik im heutigen Print-Blog der taz.

29. August 2007
fremde Welt: Alleinstellungsmerkmal

ostseezeitung

16. April 2007
fremde Welt: ...

Was ist eigentlich aus Frau Kaufmann geworden?

18. März 2007
fremde Welt: Michaela sagt sie kann Sonntage nicht leiden

Gemeinsam stehen sie am Waschbecken und schrubben die Fingernägel. Der Chef stellt die Eieruhr, dann verreiben sie den blauen Alkohol auf Händen und Unterarmen.
"Junge", so spricht der Chef jeden seiner OP-Helfer an.
Der Chef hat Unterarme wie ein Pferdeschlachter, einen Bart wie ein polnischer Gewerkschaftsführer und braune tote Augen. Er hat in seiner Karriere drei chirurgische Verfahren entwickelt, die seinen Namen tragen. Eins davon ist genial einfach, er war der erste, der es wagte. Vorschulkinder hätten auf die Idee kommen können.
Nun sieht er zu, wie seine Klinik den Bach runtergeht. Die letzten Jahre bis zur Rente verbringt er damit, im Akkord geriatrischen Patienten neue Hüftgelenke einzusetzten.
"Junge, ich beneide euch nicht", sagt er. Dann schrillt die Uhr, und sie gehen in den Saal.
Der Junge benötigt Hilfe mit dem Kittel.
"Könn sie sich immer noch nicht allein anziehen!"
Die Drachenschwester hat Dienst. Die mit dem kalten, blauen Blick aus kajalunterstrichenen Augen. Die jede Gelegenheit nutzt, den Nachwuchs anzufauchen. Gerne auf der persönlichen Ebene.
"Sie stehn hier nur so ungeschickt rum! Sie sind bestimmt Einzelkind!"
Der Junge tut so, als würde es ihn nicht treffen. Um ihr die Genugtuung vorzuenthalten. Das provoziert sie.
Und sie erzählt gerne von sich. Das Anästhesie-Team auf der anderen Seite der Blut-Hirn-Schranke muss die Kaufhausklassik ertragen, die sich die teilnarkotisierten Patienten immer als Beschallung wünschen - der Chef und der Junge die geballte Lebensweisheit der Drachenschwester, die nur von dem Schlürfen des Saugers und knappen Anweisungen unterbrochen wird.
"Junge, hier. Junge, Strom."
Eine Männergeschichte wird gerade abgeschlossen mit der Moral: "Das Gute mit 35 ist ja, dass man weiss, was man will und was nicht."
Der Chef hebt kurz den Blick vom OP-Feld: "Vor allem weiss man mit 35, was man kriegt und was nicht. Langenbeck-Haken. Junge, hier."
Dann ist erstmal Ruhe.

2. Februar 2007
fremde Welt: ...

Er streicht ihr ganz sanft, ganz langsam, ganz hingebungsvoll über den Hinterkopf.
Wie manche Jungs ihre schmollende Freundin berühren.
Sie sieht ihn nicht an, ihr gletschereisbonbonblauer Blick ist in die Ferne gerichtet.
Wie der Blick von schmollenden Frauen, die sich ihrer Macht und ihrer Rolle sicher sind.
Sie zuckt nicht einmal mit den Ohren.
Es irritiert mich, wie dieser Typ seine Huskyhündin streichelt.

2. Januar 2007
fremde Welt: Frühkindliche Prägung

Die Schranktür knirscht, und zwischen den Rücken von Fotoalben und Sehnsucht-nach-Afrika-Taschenbüchern steht eine Ringbindung hervor, die mir sehr vertraut vorkommt.
Bei jedem Besuch habe ich danach gesucht, es aber nie gefunden. Die alte Buchhändlerin wusste gleich, welches Buch ich meine. Doch die letzte Auflage ist längst vergriffen, eine neue nicht geplant. Bei Ebay unauffindbar, über das ZVAB unerschwinglich. Also bei jedem Elternbesuch der Blick in Kellerschränke. Und jetzt entdecke ich es an einem Platz, an dem es mir sofort hätte auffallen müssen.
Nein, es geht nicht um Nostalgie. Ich habe weder Janosch im Regal noch Traumfänger an der Lampe, und Den Kleinen Prinzen (tm) habe ich nie gelesen. Ich erinnere mich nur noch vage an das Kinderbuch, ich konnte noch nicht lesen, ich weiss aber genau, wie sehr das Buch mich beeindruckt hat. Und jetzt will ich wissen, warum.
Die Seiten biggn a bisserl zama und riechen tun sie wie das ungeheizte Gästegiebelzimmer, die kalten Deckenberge, die Waschküche im Keller, die dicken Teppiche, mit Kaktusstacheln gespickt, der träge fließende Fluss hinter dem Haus.
Ich dachte damals, es müsse dort Berge geben, aber es waren allenfalls Hügel. Backsteintürme gab es immerhin und sogar eine Burg, die erkenne ich jetzt auf den Seiten des Buchs wieder.
Dort lebt der reiche Prinz, und er heiratet die schöne Prinzessin aus dem fernen Polenlande. Es gibt ein großes Fest mit Turnierkämpfen und Ringelstechen, von dem landauf und landab und noch lange Zeit gesprochen wird.
Doch nach vielen Jahren, es ist Herbst, die Zugvögel scharen sich zusammen und das Tal liegt im Nebel, da hört die Prinzessin eine Laute. Sie öffnet das Turmfenster, blickt hinaus und erkennt den Lautenspieler vom Hofe ihres Vaters wieder, der ihr das Lautenspielen beibrachte und der den Blick nicht von ihr lassen konnte, und er steht unter ihrem Fenster und spielt und singt:
„Du von allen hast mir gefallen.“
Wenn das mein Therapeut erfährt.

duvonallenhastmirgefallen

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