24. November 2008
fremde Welt: Samstag im Könich

Plötzlich, zwischen Kraftwerks Model und irgendwas, das dem Beat Witts Goldener Reiter sein könnte, zeigen viele Zeigefinger Richtung Panoramascheiben.
Es schneit, die Flocken fliegen fast waagerecht. Wie in einer Schneekugel.
Oder: „Wie im Schwarzwald.“
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht den Drang verspüre, verwaschene Atari- oder Ladyfest-Spain-T-Shirts tragen zu müssen.
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht den Drang verspüre, mir einen Unterlippenbart wachsen zu lassen.
Ich bin froh, dass ich über dreißig bin und nicht die letzten Jahre damit verbracht habe, meine Arme tackern zu lassen und meinen Bizeps aufzupumpen, leider unter sträflicher Vernachlässigung von Trizeps und Deltoideus, was schonmal scheiße aussieht, gekrönt noch durch deutliche Anzeichen der östrogenen Hopfenwirkung.
Der Kollege philosophiert über Galapagosfinken, schnorrt sich von unserer Begleiterin eine Kippe und schnippt sie beim Gestikulieren versehentlich auf den Stiefelschaft des Minirockmädchens vom Nachbartisch. Nach einigen Sekunden setzt sich doch das Über-Ich durch, und natürlich nimmt sie ihm die Erklärung, warum er da gerade an ihren Beinen zu tun hatte, nicht ab.
Wir gehen Richtung Tanzfläche.
Die Evolution hat nicht ahnen können, dass es mal Empfängnisverhütung gibt.
Aber das ist auch das Dilemma der meisten Typen hier, sagt der Kollege. Die strahlen nur Fickbereitschaft aus, aber keine Verantwortungsbereitschaft. Evolutionär ist das noch unbewusst verdrahtet und bestimmt das Selektionsverhalten, und darum kriegen die ganzen verzweifelten Galapagosfinken hier heute keine ab.
Wir wählen den tätowierten jungen Mann als Beobachtungsobjekt. Sein Coach trägt eine Schiebermütze und hat ihn eben nochmal daran erinnert, warum sie hier sind: Entweder du gräbst jetzt eine an oder wir gehen woanders hin.
Balztanz, Bar, Jägermeister.
Der Kollege wettet um ein Bier, dass innerhalb der nächsten zehn Minuten geknutscht wird.
Die Begleiterin hält. Die Körpersprache der Frau, zu abweisend, und die sehe auch nicht so verzweifelt aus, als ob sie sich nicht auch anders amüsieren könnte.
Die Schiebermütze hat unser Gespräch mitbekommen und grinst breit.
Klick. Das Elektrofeuerzeug unserer Begleiterin zündet nicht.
Klick.
Klick.
Ich weiß, was die dritte Fehlzündung bedeutet.
Unsere Begleiterin weiß es auch.
Nach drei Minuten ist das Gespräch beendet:
"Ich hab Dich als meinen Freund ausgegeben. Der Typ ist echt übel."
Zeit zu gehen.
Früher hätten wir jetzt zusammen Spinatspaghetti gekocht, aber heute geht jeder seinen Weg.
Und es fängt wieder an zu schneien.

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