berlin


14. November 2010
berlin: ...

2010

10. Oktober 2009
berlin: undergound

„We wanted to do Berlin underground, and it can't get more underground, right?!“
Ich bin mir nicht so sicher, ob der holländische Oberstufenschüler da Recht hat. Ihr Reiseführer hat ihnen den Tipp gegeben. Jetzt ist ihr Reiseführer Sänger einer Band, die trotz beeindruckendem elektronischen Equipment (viele Drehregler und Knöpfe und Digitalanzeigen, alles blau beleuchtet!) einen Sound zaubert, als würde sie „Bloody Sunday“ covern.
Immerhin, alter Güterbahnhof. Weitläufiges Kellergewölbe. Die Bar aus der Inneneinrichtung eines klassischen Chinarestaurants improvisiert. Die Barfrau sieht aus wie ein Mitglied der Atlantischen Führungskaste aus einem 70er-Low-Budget-SF-Fantasy-Film, die verzweifelt gehen das atomare Wettrüsten gekämpft hat, zunächst als jüngstes Mitglied des Rates der Sieben Weisen Frauen, nach der Zerschlagung dieses Gremiums dann Fortsetzung des politischen Engagements im Untergrund, doch bekanntlich vergeblich, denn Atlantis wurde durch die auf eine unterseeische Wasserstoffbombenexplosion folgende Flutwelle zerstört. Da kauft man doch gerne ein Bier mehr.
Später dann das lange erwartete Highlight: Die aus MDF-Platten zusammengespaxte Brücke, die zum Eingangsbereich führt, bricht unter der Last der Gäste zusammen. Der Kollege und ich fahren mit der U-Bahn nach Hause. Mehr Untergrund geht nicht wirklich nicht.

5. September 2009
berlin: F43.2

Innerhalb von zwei Tagen 500 Kilometer nördlicher und 2 Kilometer tiefer. Vor zwei Tagen trugen die Altersgenossen, die ich traf, schwere Stiefel und Kropfbänder, und ich bewunderte sie etwas und heimlich für ihre Ernsthaftigkeit. Jetzt bin ich wieder im Herzen der Gentrifizierung angekommen, die Danceperformance, Minikleidmädchen wälzen sich mit Eisblöcken zu repetetiver elektronischer Musik auf dem Boden, geht etwas an mir vorbei, meinem Begleiter geht es ebenso, und der war nicht weg: Das Publikum saugt den Großteil unserer Aufmerksamkeit ab. Prinz-Eisenherz-Haarhelme, güldene Handtaschen, gepflegte Schnurrbärte, angestrengte Individualität schreit nach Aufmerksamkeit, so kommt es mir vor. Ich erkenne Hakim, wie meist mit Aktentasche, heute aber zusätzlich mit frischem Schorf auf der Nase. Er stellt sich kurz meinem Begleiter vor, „meine Hobbies sind Politik, Medizin und Schlägereien“, und verschwindet wieder in der Menge. Nächstes Mal werde ich hier mit meiner neuen Wandernadel auflaufen, in Bronze, und die wird für ironisch gehalten werden und ich deshalb für cool, doch für heute reicht es mir, und ich gehe raus in die klare Luft und den Regen und bin etwas traurig, dass ich keine Stiefel mehr trage.

12. März 2008
berlin: Laternenschoner

Ein Laternenschoner der Strickguerilla.

Also doch keine besorgte Oma, die nicht mit ansehen konnte, wie die Laternenpfähle im Winter frieren oder von angelehnten Fahrrädern zerkratzt werden.
Zuerst war ich etwas enttäuscht.

- The history of guerilla knitting
- Knitta
- Masquerade

12. April 2007
berlin: Im Herzen Neuköllns

Die Nacht ist kalt, die Straße ist leer, die Gaslaternen beleuchten kahle Äste und spiegeln sich auf dem feuchten Kopfsteinpflaster. Vor dem verwaisten Kültürcafe stehen zwei abgewetzte Gestalten. Die eine hält ein Saxofon in den Händen, die andere ein Sternburg-Export und hört aus respektvoller Entfernung zu, staunend, die Ohren der Stalingradmütze hochgeklappt.
Gassigeher, die ihre Tiere für eine späte Runde um den Block führen, nehmen ihre Hunde an die kurze Leine. Wagt es eine Töle, irritiert zu knurren oder gar zu kläffen, gibt es sofort Senge.
Im Haus gegenüber, dem mit dem pockennarbigen Putz, öffnen sich Fenster einen Spalt breit.
Schließlich fordert eine besorgte Mutter die Nachtruhe für ihr Kind ein.
Der Musiker wehrt die Münzen ab, die ihm der Sterni-Trinker zustecken will, packt sein Instrument in den Koffer, schultert seinen Rucksack und verschwindet um die Ecke.
Von irgendwoher kommt spärlicher Applaus.
Dann schließen sich die Fenster und flackern kurz darauf wieder bläulich wie jede Nacht.

22. Februar 2007
berlin: ...

Neuschwanstein

"I don't want to have to do this living. I just walk around. I want to be swept off my feet, you know? I want my children to have magical powers. I am prepared for amazing things to happen. I can handle it."

17. Februar 2007
berlin: Die dunkle Seite der Diskokugel

Man sieht sie nicht, aber die Dunkle Materie ist es, die das Weltall zusammenhält.
"Na, was überlegst du?" schreit meine Begleiterin.
Als Antwort zucke ich die Schultern, schüttle den Kopf und hebe die Bierflasche.

Die Diskokugel schickt ihre Reflexe durch den Nebel aus Zigarettenrauch, Männerschweiß und Niveadeo. Die Veranstaltung ist einschlägig beleumundet. Die einzigen mit Stil sind die DJs und ihre Freundinnen, der Rest besteht aus purer Verzweiflung.
Deshalb sind wir hier.

"Ich habe mal eine Doku über Erdmännchen gesehen, die stampfen rhythmisch auf den Boden und locken damit über Kilometer willige Partner an", schreit meine Begleiterin.

Die junge Frau auf der Tanzfläche hat einen stolzen Blick, trägt einen silberweißen Kunstfaserpullunder und ein Rotweinglas - und steppt, dass der Boden bebt.

"Ganz schlimm sind diese Giraffentypen, die sich da hinter der Säule verstecken, aber einen langen Hals machen und mir auf die Titten stieren", schreit meine Begleiterin. Ich nicke abwesend und betrachte weiter die anwesenden Frauen.

Mir fällt ein, was ich im Internet über das Lek-Paradoxon gelesen habe.

Der Kollege, der uns begleitet, hat seit einer Stunde kein Wort mehr gesagt.

Das DJ-Gespann kommentiert das Geschehen zunächst noch mit ironischen Titeln, gibt aber dann dem Publikum, was es will.

Auf der Tanzfläche umarmen sich drei Typen, schwingen im Takt die Beine in die Luft und versuchen, andere einzugliedern. Ja, ich hab sowas auch mal gemacht. Mit Zigarettensteuermarkenpapier hatten wir unsere Ausweise frisiert, um zum ersten Mal in eine Großstadtdisko zu kommen, den Namen habe ich verdrängt, aber es war das Hamburger Gegenstück zum Kudorf.

"So stelle ich mir Après-Ski vor", schreie ich.
Meine Begleiterin lächelt nachsichtig.

Dem Kollegen wird das alles zu viel. Er wendet sich kopfschüttelnd ab und dem Alkohol zu. Wir hingegen wackeln mit unseren Körpern im Takt der Musik.

Die Tanzkette löst sich abrupt auf, die Glut einer Kippe hat den Unterarm einer der Spasskanonen versengt. Die Vorstellung, die Zigarettenbesitzerin könnte es mit Absicht getan haben, reicht aus, um mich sofort in sie zu verlieben.

"Hey, wer gefällt dir", schreit meine Begleiterin, und kommentiert dann: "Zu jung, nee, wahnsinniger Blick, nein, die hat hennarote Haare."

Ja, ist mir auch aufgefallen, aber es ist Kastanie.
"Du musst sie überraschen", schreit meine Begleiterin.

Doch ein Typ mit deutlich dunklerem Bartschatten kommt mir zuvor. Und er beherrscht die Spielregeln.

"OK, ich such jemanden aus, der zu dir passt", schreit meine Begleitung. "Die da drüben, die ist frei und willig. Das sehe ich!"

Ja, das sehe ich auch. Außerdem ist doppelt so alt wie ich und sieht so aus, wie ich mir eine Kulturredakteurin vom Freitag vorstelle.

Das Alpha-Männchen und das Henna-Weibchen schreien sich mittlerweile regelmäßig ins Ohr. Sie lächelt, manchmal schließt sie die Augen, und wenn sie lacht, legt sie ihre Hand auf die Brust.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Am Ausgang lasse ich mir noch einen Stempel geben, damit die Kollegen am Band morgen denken, ich hätte ein Leben. Mit hochgeschlagenem Kragen höre ich zu, wie die Stille in meinen Ohren rauscht.

Meine Cousine hat mir versprochen, mich mit auf eine Ü-30-Party zu nehmen, wenn ich sie in ihrer süddeutschen Kleinstadt besuche. Ich bin vorbereitet.

15. Dezember 2006
berlin: Klingelbeute

Münzklingel

30. Oktober 2006
berlin: ...

planespotting

29. Oktober 2006
berlin: ...

Mir doch egal, dass du das kitschig findest.

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