15. Januar 2013
hoeren: Vor dem Low Brain, 0.53 Uhr: Dialoge für die Ewigkeit.

"Schuldigung, habt ihr grad einen Typen rauskommen sehn, deutlich älter als ihr?"
"Ey, hör auf uns zu beleidigen!"
"Son Typ, der aussieht, als würde er Crack rauchen, aber als hätt er einen guten Zahnarzt?"
"Ich weiß genau, wen du meinst. Den hab ich eben noch drinnen gesehen, irgendein Vogel hat E-Gitarre auf seinem Bein gespielt."
"Ja. Das war ich. Aber er wollte grad mal zum Brechen raus."
"Achso. Wenn wir ihn finden, schicken wir ihn zurück."
"Verbindlichsten Dank!"

14. November 2010
berlin: ...

2010

19. November 2009
woanders: Luxus für die Ohren

Es ist Herbst 2009, es gibt immer noch Punkkonzerte gegen rechts oder für links, aber das Rauchverbot wird konsequent eingehalten. Selbst im „Backstage“-Bereich der alten Villa, wo die Mitglieder von Bierhass, Stoierfrei und zwei weiteren Bands über den GEMA-Formularen sitzen. Die Kreativität hält sich in Grenzen: Alle haben den Titel „Gema bierholn“ auf der Setlist und machen „Blasmusik“.
Die Bar im ehemaligen Kaminsaal listet immerhin zehn Cocktails auf. Nach Punkt eins, „Moisepisse“, hören wir auf zu lesen und verlangen Wodka pur. Drei Finger hoch im weißen Plastikbecher für einen Oiro Euro, faire Preise, aber wie soll da die Solikasse klimpern? Zumal das Rudel Nietenpunks, das die Eingangshalle belagert, sich an mitgebrachten Getränken labt. Unwahrscheinlich, dass sie es noch bis zur Bühne schaffen. Zwischendrin wuseln drei Hunde, „ey, benimmt dich, Whopper!“, weist die Punkerin den einen zurecht. Auf Nachfrage erfahren wir, wie die beiden anderen heißen: Rollmops und Fotze.
Die aktuelle Band rumpelt vor sich hin, wie die Bands davor klingt sie, als hätte sie sich vor drei Wochen gegründet, aber bei der ersten Band stimmte das wenigstens. Luxus für die Ohren, wir haben vorgesorgt.
Aus Langeweile setze ich mich an den verwaisten Kassentresen, kontrolliere Stempel und helfe dem schon wieder schwer angeschlagenen Begleiter, seine Email korrekt aufzuschreiben. Nicht für die Sängerin der Band, sondern für ihre ebenfalls anwesende Mutter: Es ist Herbst 2009.

10. Oktober 2009
berlin: undergound

„We wanted to do Berlin underground, and it can't get more underground, right?!“
Ich bin mir nicht so sicher, ob der holländische Oberstufenschüler da Recht hat. Ihr Reiseführer hat ihnen den Tipp gegeben. Jetzt ist ihr Reiseführer Sänger einer Band, die trotz beeindruckendem elektronischen Equipment (viele Drehregler und Knöpfe und Digitalanzeigen, alles blau beleuchtet!) einen Sound zaubert, als würde sie „Bloody Sunday“ covern.
Immerhin, alter Güterbahnhof. Weitläufiges Kellergewölbe. Die Bar aus der Inneneinrichtung eines klassischen Chinarestaurants improvisiert. Die Barfrau sieht aus wie ein Mitglied der Atlantischen Führungskaste aus einem 70er-Low-Budget-SF-Fantasy-Film, die verzweifelt gehen das atomare Wettrüsten gekämpft hat, zunächst als jüngstes Mitglied des Rates der Sieben Weisen Frauen, nach der Zerschlagung dieses Gremiums dann Fortsetzung des politischen Engagements im Untergrund, doch bekanntlich vergeblich, denn Atlantis wurde durch die auf eine unterseeische Wasserstoffbombenexplosion folgende Flutwelle zerstört. Da kauft man doch gerne ein Bier mehr.
Später dann das lange erwartete Highlight: Die aus MDF-Platten zusammengespaxte Brücke, die zum Eingangsbereich führt, bricht unter der Last der Gäste zusammen. Der Kollege und ich fahren mit der U-Bahn nach Hause. Mehr Untergrund geht nicht wirklich nicht.

14. September 2009
take-home-message: ...

"Männer müssen handeln und sich nicht dem Schmerz überlassen."
(Alles Gute zum Geburtstag.)

5. September 2009
berlin: F43.2

Innerhalb von zwei Tagen 500 Kilometer nördlicher und 2 Kilometer tiefer. Vor zwei Tagen trugen die Altersgenossen, die ich traf, schwere Stiefel und Kropfbänder, und ich bewunderte sie etwas und heimlich für ihre Ernsthaftigkeit. Jetzt bin ich wieder im Herzen der Gentrifizierung angekommen, die Danceperformance, Minikleidmädchen wälzen sich mit Eisblöcken zu repetetiver elektronischer Musik auf dem Boden, geht etwas an mir vorbei, meinem Begleiter geht es ebenso, und der war nicht weg: Das Publikum saugt den Großteil unserer Aufmerksamkeit ab. Prinz-Eisenherz-Haarhelme, güldene Handtaschen, gepflegte Schnurrbärte, angestrengte Individualität schreit nach Aufmerksamkeit, so kommt es mir vor. Ich erkenne Hakim, wie meist mit Aktentasche, heute aber zusätzlich mit frischem Schorf auf der Nase. Er stellt sich kurz meinem Begleiter vor, „meine Hobbies sind Politik, Medizin und Schlägereien“, und verschwindet wieder in der Menge. Nächstes Mal werde ich hier mit meiner neuen Wandernadel auflaufen, in Bronze, und die wird für ironisch gehalten werden und ich deshalb für cool, doch für heute reicht es mir, und ich gehe raus in die klare Luft und den Regen und bin etwas traurig, dass ich keine Stiefel mehr trage.

15. April 2009
anstalt: Kollegin

"Sie sind ja genau so kaputt wie ich: Sie komm auch gerne hierher, nech?!"

2. April 2009
take-home-message: ...

"Was Sie Liebe nennen, wurde von Leuten wie mir erfunden, um Unterwäsche zu verkaufen."
(Hierher, aber der hat sich das auch nicht selbst ausgedacht.)

30. März 2009
denkblase: Ich kenn den DJ

Die "Ich-steh-auf-der-Gästeliste"-Prozedur abwickeln, mit vollem Ernst, bei zwei Euro Eintritt, das fühlt sich an wie früher, beim Kaufmannsladen spielen.

24. Februar 2009
fremde Welt: ...

„Ich hab ja vier Jahre in der Gegend gewohnt, hat mir aber gar nicht gefallen“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Einzelplatz am Tresen.
Der Andere Kollege hat eine Frau mit prominenter Nase in ein Gespräch verwickelt.
Haarfarbe stimmt: Beuteschema passt.
Stör ich mal besser nicht.
„Ich hatte ja so viel in die Wohnung investiert, nur deshalb bin ich vier Jahre geblieben“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Das Gespräch endet, der Andere Kollege ist frustriert.
Die Bedienung kommt mit großen Augen aus dem Raucherzimmer.
„Ich habe in den vier Jahren mein Buch geschrieben“, sagt die unbekannte Tresenfliege.
Im Raucherzimmer sitzt ein Gast nur noch in Unterwäsche, berichtet die Bedienung.
Die ist Künstlerin, ergänzt die prominente Nase. Jedes deutsche Wort, das sie nicht kennt, schreibt sie mit Edding auf die Haut. Offenbar hat sie heute abend schon viel gelernt. Der Platz auf Beinen und Bauch wird knapp.
Der Andere Kollege geht mal die Aschenbecher leeren.
Flachmann, Feudel, Augenweide, gebe ich ihm mit auf den Weg.
„Ich habe ja Jazz-Gitarre studiert“, sagt die unbekannte Tresenfliege.

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